So sieht das Kastensystem "Pax Nexus" von Ikea aus. |
27. August 2019. Bei Facebook werde ich jeden Morgen gefragt, was ich gerade mache. Heute lautet die Antwort: Ich begebe mich in eine andere Welt, die beim Schreiben erst entsteht. Der passende Titel ist mir noch nicht eingefallen. Der Arbeitstitel lautet "Der Gott der Kästen". Meine Geschichte beginnt so:
Ich spüre den Stich der Nadel. Mehr
spüre ich nicht.
Ein Wesen, das wie ein Schrank
aussieht, der nur aus Kästen besteht, beugt sich über mich. Der
Himmel über mir ist dunkelrot, der Boden unter mir gibt nach, wenn
ich mich zu schnell bewege. Das Wesen hält einen Apparat an einen
der Kästen. Etwas auf diesem Kasten hebt und senkt sich.
„Willkommen“, sagt das Wesen mit
einer einschmeichelnden Stimme.
„Wo bin ich?“, frage ich das Wesen
und schaue zum Himmel, der nun dunkelgrün ist.
„Das erfahren Sie noch früh genug.
Folgen Sie mir bitte.“
Das Gelände ist flach, ich gehe so
schnell wie das Wesen, um nicht einzusinken, die Schuhe, die mir
jemand angezogen hat, sind schwer. Deshalb tun mir schon nach wenigen
Schritten die Beine weh.
„Sie müssen diese Schuhe leider
tragen“, sagt das Wesen. „Sonst würden Sie schnell den Kontakt
mit dem Boden verlieren und davonfliegen.“
Das, was sich auf einem der Kästen
bewegt, sind die Lippen des Wesens, denke ich. Ist dieser Kasten sein
Kopf?
Die Pflanzen, die aus dem flachen
Gelände ein buntes Farbenmeer machen, weichen vor uns zurück und
rücken wieder zusammen, sobald wir weitergegangen sind. Das Wesen
spricht weiter in diesen Apparat.
Wie von Geisterhand entsteht vor uns
ein Gebilde, das ebenfalls aus Kästen besteht, die Kästen sind in
ständiger Bewegung, die Form des Gebildes verändert sich in großer
Geschwindigkeit.
„Wir leben eigentlich unter der
Scheibe“, sagt mein Begleiter. „Aber Gäste empfangen wir über
der Scheibe.“
Wir betreten das Gebilde, in einem der
Kästen schweben wir nach oben, der Kasten öffnet sich für einen
zweiten Kasten, in dem ein Wesen auf uns wartet, das auf einem
viereckigen Stuhl sitzt.
„Willkommen“, sagt auch dieses
Wesen.
Dieses Wesen spricht ebenfalls in einen
Apparat. Die Kästen, aus denen dieses Wesen zusammengesetzt ist,
sind größer als die Kästen meines Begleiters und bunter.
„Erst einmal möchte ich mich für
die Unannehmlichkeiten entschuldigen, die wir Ihnen möglicherweise
bereitet haben. Wir werden alles dafür tun, dass Sie sich auf
unserer Scheibe wohlfühlen.“
„Ich muss heute Abend zu einer
dringenden Besprechung“, sage ich.
Der Kasten, den ich für den Kopfkasten
halte, rückt in dem Kastensystem ein wenig nach unten. Ich habe das
Gefühl, dass mich das Wesen so besser sehen kann.
„Machen Sie sich deswegen keine
Gedanken. Sie werden genau in dem Moment wieder auf der Erde sein, in
dem Sie die Erde verlassen haben. Das, was ihr Menschen
Zeit nennt, kennen wir nämlich nicht.“
Alles in mir sträubt sich gegen diesen
Gedanken, denn wo keine Zeit ist, kann sich auch nichts bewegen oder
verändern. Da bin ich mir ziemlich sicher. Das Wesen errät meine
Gedanken.
„Glauben Sie mir einfach. Ich führe
sie jetzt ein wenig herum.“
Wir schweben mit dem Kasten durch das
Gebilde. Die Schmerzen in meinen Beinen werden fast unerträglich.
Das Wesen spricht in den Apparat. Seine Stimme klingt mitleidig.
„Wie dumm von mir“, sagt das Wesen.
„Hier können Sie Ihre Schuhe ausziehen. Dann geht es Ihnen gleich
besser.“
30. August 2019. Soeben als e-book erschienen. Hier klicken
31. August 2019. Nun auch als Print erhältlich. Hier bestellen
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