Donnerstag, 24. August 2023

Tjaden tappt (573)

Der Duden leidet.

Sind Mitbürger*innen auch Miteinwohnende?

Jetzt verteilt auch der Verkehrs- und Verschönerungverein (VVV) Sternchen.  Zugute halten muss man dem VVV, dass er sich nicht für : oder / oder _entschieden hat, um sich Mühe zu ersparen. In der Pressemitteilung über eine Ausstellung in der Kulturwerkstatt, die "Angekommen" heißt,  ist sogar noch Schlimmeres verhindert worden, denn dort tauchen zwar Mitbürger*innen auf, aber keine Miteinwohnenden. 

Welchen Sinn machen Sternchen eigentlich? Mit ihnen verhindert man zwar weitere Wortungeheuer. Aber sonst? Ich habe kürzlich Mitarbeiterinnen der Stadt gefragt, was sie davon halten, wenn sie in Schriftstücken Sozialarbeitende genannt werden. Die Antwort: nichts. Oder "Jetzt bin ich keine Frau mehr, sondern nur noch eine Person."

Eine Expertenrunde, die sich der Pflege der deutschen Sprache widmet, hat kürzlich darauf hingewiesen, dass es bei Texten nicht nur auf die Lesbarkeit, sondern auch auf die Hörbarkeit ankommt. 

Gehört werden nur die Frauen. Oder wie lange soll man zwischen Lokomotivführer und innen Luft holen, damit die Männer nicht völlig aus allen Zügen verschwinden? Gelesen werden dagegen zuerst die Männer und dann als Anhängsel per innen die Frauen. Noch krasser wird das mit Lokomotivführer*Innen. Dann begreift es endlich auch die letzte Frau: Groß werden kann sie nur mit einem Mann?

Montag, 14. August 2023

Tjaden tappt (572)

"Jornal da Madeira", 14. August 2023,
50. Derbi von Marítimo und Nacional. 

Das Wichtigste zuletzt


Netto ist immer das, was übrig bleibt. Was in meinen Erinnerungen von Burgdorf übrig bleibt, wenn ich am 7. November 2023 wieder im Flugzeug nach Madeira sitze, weiß ich noch nicht. Die sozialen Dienste von Burgdorf wohl kaum. 

Obwohl ich kein einziges Bürgerrecht verwirkt habe, obwohl wir von vielen Seiten derzeit dazu aufgefordert werden, die Demokratie gegen die AfD zu verteidigen, kommen solche Botschaften bei dieser Abteilung wohl nicht an. Mails von mir werden nicht beantwortet, Anträge, in denen es letzten Endes um meine Rechte auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und um meine körperliche Unversehrtheit geht, werden ignoriert. Die sind froh, wenn sie mich wieder los sind. 

Ich bedanke mich jetzt schon dafür, dass die Quadratmetermiete für verschimmelte Zimmer und für Zimmer, aus denen ich gleich wieder vertrieben werde, in der städtischen Unterkunft Drei Eichen bei sechs Euro liegt. 

Netto ist aber auch der Name eines Supermarktes in der Weststadt von Burgdorf. Dort steht seit Jahren ein Kaffeeautomat. Wie oft ich mir an diesem Automaten schon Kaffee geholt habe, weiß ich nicht. Über 1000 Mal ist sicherlich nicht übertrieben. Neuerdings allerdings werde ich, wenn ich den Kaffee im Vorraum trinke, für einen Bettler gehalten. Kürzlich hat mir eine Frau zwei Euro in die Hand gedrückt. "Komm her", hat sie gesagt. "Für dich." Heute übergoss mich ein Kunde mit Mitleidsbekundungen. Er fasste mich sogar an. Als er begriff, dass ich kein Bettler bin, eilte er davon.

Nun noch etwas Wichtiges: Marítimo hat das Lokalderby auf der Insel Madeira gegen Nacional mit 2 : 1 gewonnen. 

Siehe auch "Bekommt verlorenes Mädchen endlich Hilfe-Reaktion auf mail"


Samstag, 5. August 2023

Tjaden tappt (555)

Nun müssen sie erst
einmal beraten. Foto: Tjaden

Die Jugendgruppe: Für Nico geht wieder nur der Mond auf

9. April 2023. Nico hat eine Jugendgruppe. Mit der zieht er abends los. Zwei, drei Jungs in seinem Alter und ebenso viele Mädchen, die ihn bewundern sollen. Wie er das schaffen will, ist ziemlich dämlich. Das kann er nicht ändern. Denn auch Nico ist ziemlich dämlich. Außerdem sieht er ziemlich nichtssagend aus. Wovon sollen Mädchen schwärmen, wenn ein 14- bis 15-Jähriger nichtssagend aussieht und auch noch dämlich ist? Wie schnell kann es da vorkommen, dass die Mädchen ihre Zuneigung anderen Jungs aus Nicos Jugendgruppe schenken.

Davor hat Nico Angst. So dämlich, dass er nicht einmal davor Angst hat, ist er nicht. Deswegen legt er sich vornehmlich mit Erwachsenen an. Wer sich das traut, muss ein toller Kerl sein. Denkt Nico. Und baut sich in der Stadtsparkase Burgdorf vor mir auf. Er glaubt, dass die Rollen verteilt sind. Ich ein Obdachloser, der auch schon in der Stadtsparkasse geschlafen hat, und er der Jüngling aus gutem Hause, der irgendwann diese Bank übernimmt. Sobald die Grundrechenarten abgeschafft worden sind. 

"Soll ich die Polizei holen?", fragt er und will sich in der Bewunderung seiner Gruppe sonnen. "Sie holen sich hier Strom für Ihren Computer. " Dann will er von mir ein Foto machen.

Und wieder geht für Nico nur der Mond auf. 

"Ruf die Polizei an", antworte ich.

"Lass uns gehen", sagt ein Mädchen.

An der Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite nimmt die Gruppe Aufstellung. Ziemlich ungeordnet. Ich schreibe diesen Artikel. Die Gruppe zieht weiter. 

Nicos Gruppe zurück aus Schwach(kopf)hausen

5. August 2023. Nicos Gruppe ist aus den Ferien zurück, wahrscheinlich aus Schwach(kopf)hausen. Da die Sonderschule noch nicht wieder angefangen hat. streunen Nico und seine Hinterherlaufleute wieder durch Burgdorf. Dort habe ich gestern am späten Nachmittag an der Bushaltestelle Spittaplatz gesessen, ein junges Mädchen aus der Türkei studierte den Fahrplan, drei türkische Frauen kamen auf die Haltestelle zu.

Doch Widerling Nico war schneller. Er drängelte sich zu mir auf die Bank und belästigte mich zum x-ten Mal. Ich nahm meine Rucksäcke und nahm Abstand von der Nico-Gruppe. Die drei türkischen Frauen sagten: „Das sind aber auch wirklich Idioten.“

Nico und seine Hinterherlaufleute nahmen Reißaus. Das türkische Mädchen kam zu mir und freute sich darüber, dass „diese Leute, mit denen man sich nicht abgeben sollte“ wieder verschwunden waren und stieg in den Bus nach Lehrte. 


Donnerstag, 3. August 2023

Tjaden tappt (571)

Gott und die Kirchen: Nur noch sachliche Romanze

Der Kirche, ob evangelisch oder katholisch, ist der alte Chef abhanden gekommen. Über den wird in der Bibel berichtet, dass er fast die gesamte Menschheit vernichtet hat, weil sie in seinen Augen eine schlimme Entwicklung nahm, einige Menschen und Tiere aber rettete, dass er dem Anführer einer Flucht mit Verhaltensvorschriften auf einer Steintafel half, als seine Gefolgsleute anfingen, über die Stränge zu schlagen und gemaßregelt werden mussten, damit die Flucht aus Ägypten doch noch ein gutes Ende nehmen konnte, dass er einen gehorsamen Mann so lange gepiesackt hat, bis es an seiner Treue keine Zweifel mehr geben konnte, wofür er mit großem Reichtum belohnt wurde, dass er Kranke heilte, weil sie an seinen Worten nicht zweifelten, und dass er sogar einen Mörder mit dem Paradies belohnte, weil der zum Tode Verurteilte ihm zur Seite gesprungen war. 

Da derlei nicht mehr geschieht, versuchten es die Kirchen mit einem neuen Chef. Doch der ist laut Erich Kästner vor etwa 100 Jahren auch schon wieder aus der Kirche ausgetreten. Der Dichter teilte mit: „Da hilft kein Zorn. Da hilft kein Spott. Da hilft kein Weinen, hilft kein Beten. Die Nachricht stimmt! Der liebe Gott ist aus der Kirche ausgetreten.“

Blieb die von Kästner 1928 beschriebene „sachliche Romanze“. Die gestaltet sich laut Thorsten Hoppe von der Burgdorfer Paulus-Gemeinde in der jüngsten Ausgabe des „Südstadtbriefes“ so: „Ich wiederum glaube nicht an eine Instanz, die Dinge spontan zum Guten wendet.“  

Damit erübrigt sich die Frage, warum diese Instanz nicht einmal mehr eingreift, wenn sogar Kinder leiden, obwohl der alte Chef vor 2000 Jahren gesagt haben soll, dass Kindern das Himmelreich gehört, von dem Thorsten Hoppe zufolge nichts weiter geblieben ist, als ein Ort, an dem man wie Erich Kästner allein sitzt, kein Wort mehr spricht und „es einfach nicht fassen“ kann.       

Anschau-bar

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