Sonntag, 10. April 2016

Tjaden tappt (109)

Die Kleinstadt, die meistens schweigt

Burgdorf ist eine Kleinstadt bei Hannover mit knapp 31 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, die täglich rund 60 000 Wörter miteinander wechseln, mehr gelten als Zeitverschwendung. Ein fröhliches "Mir geht es wieder gut, ich hoffe, dir auch", gilt als Redseligkeit, die sogar in Kneipen nur mit einem Stirnrunzeln geduldet wird. 

Besonders beliebt ist das Kino, weil während der Vorstellung nicht geredet werden darf, einige gehen deswegen auch ins Theater oder in die Kirche. Zum Einkauf nehmen Frau und Herr Burgdorf einen Zettel mit, auf dem die Bestellungen notiert werden. Die Buchhändlerin Gitana Wegener versteht ihre Kundschaft sogar fast wort- und völlig zettellos, "das beliebte Buch, bitte" reicht ihr für den Griff zum richtigen Roman, misslingt dieser Griff, führt bloßes Kopfschütteln zu weiteren Griffen, bis der Griff richtig ist. Gitina Wegener leitet ihre Buchhandlung schon seit über 30 Jahren. Das erklärt alles.

Laufen alle Frauen von Burgdorf in den gleichen Klamotten und Schuhen herum, reicht die Frage "Fehling und Polch?", bis auch die Frauen aus Lehrte wissen, wo sie einkaufen müssen. Burgdorf ist trotzdem schöner als Lehrte, aber darüber redet man nicht.

Bei Fußballspielen gibt es keine Schweigeminuten, wenn ein Vorstandsmitglied gestorben ist, geschwiegen wird vor dem Spiel, während des Spiels und nach dem Spiel, mit oder ohne totes Vorstandsmitglied. Gelegentliches Klatschen nach einem tollen Spielzug wird hingenommen, außer in einem Ortsteil von Burgdorf. Auch das gelegentliche Klatschen haben sich dort sogar schon Rechtsanwälte verbeten, die in Sportplatz-Nähe wohnen.

Wer meistens schweigt und angeschwiegen wird, merkt natürlich auch nicht, wenn das Gehör nachlässt. Deswegen gibt es in Burgdorf auch nur zwei Ohrenärzte, die sich hauptsächlich um Nase und Hals kümmern. Sie sorgen dafür, dass sich niemand um Kopf und Kragen redet...  


   

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